Liebe interessierte Leserinnen und Leser,
in dem nachfolgenden Artikel (Quelle: www.wikipedia.org) möchte ich Ihnen das Thema Kampfkunst „Wing Chun“ näher bringen. Sie erhalten zusammenfassend Informationen über die Geschichte, Legende, Stile, Formen, Prinzipien, Techniken und Waffen des Wing Chun sowie weitere Literatur zu diesem spannenden Thema.
Begriff
Wing Chun (chinesisch 詠春 / 咏春, Pinyin yǒng chūn, kantonesisch wing chun ‚Ode an den Frühling, mandarin yǒng chūn ‚Immerwährender Frühling‘)ist ein vermutlich im frühen neunzehnten Jahrhundert entstandener (süd-)chinesischer Kung-Fu-Stil (im Westen oft als Kampfkunst bezeichnet). Der Name der Kampfkunst stammt aus dem Kantonesischen, deswegen gibt es keine eindeutige Romanisierung des Begriffes. Aus markenrechtlichen Gründen und um sich von anderen Schulen und Verbänden abzugrenzen (siehe weiter unten), sind zahlreiche Schreibweisen gebräuchlich, so z. B. Wing Tsun (W.T.),Wyng Tjun, Ving Tsun (V.T.), Wing Tzun, Wing Chung, Wing Shun, Wing Tsung, Wing Tsjun, Wing Tjuen, Ving Chun (VC), Wing Do, Dynamic Ving Tshun (DVT), Wing Zun. In Pinyin, dem offiziell verwendeten Umschriftsystem des Hochchinesischen (Mandarin), werden die Schriftzeichen als Yǒngchūn transkribiert.
Wing-Chun-Schule in Hongkong
WingchunHongKong“ von Kevin Poh from Petaling Jaya, Malaysia – Kung Fu Academy in Hong Kong. Lizenziert unter CC BY 2.0 über Wikimedia Commons – http://commons.wikimedia.org/wiki/File:WingchunHongKong.jpg#/media/File:WingchunHongKong.jpg
Entstehung von Wing Chun
Zur Entstehungsgeschichte des Wing Chun existieren verschiedene Überlieferungen. Inwieweit diese den Tatsachen entsprechen, kann aufgrund fehlender wissenschaftlicher Belege nicht mehr überprüft werden. Es wurde über Hunderte von Jahren entwickelt und soll seine Wurzeln im berühmten Shaolin-Kloster haben.
Dabei wird von einem südlichen Shaolin-Kloster berichtet, das im Gegensatz zum nördlichen Shaolin-Kloster heute nicht mehr existiert.
Eine andere Version besagt, dass sich einige sehr gute Kämpfer im alten China in einem Kloster in der „Halle des immerwährenden Frühlings“(chinesisch 永春堂, Pinyin Yǒngchūn Táng) trafen und dort zusammen diesen Stil entwickelten. Unumstritten ist jedoch, dass sich alle Wing-Chun-Stile in irgendeiner Form auf die rote Dschunke (chinesisch 红船, Pinyin hóng chuán), eine Operntruppe, beziehen.
So lernten viele historisch nachweisbare Personen, die in der Entwicklung des Wing Chun eine Rolle spielten wie zum Beispiel Leung Jan (chinesisch 梁赞, Pinyin Liáng Zàn),von Schauspielern der Roten Dschunke.Die frühesten schriftlichen Aufzeichnungen datieren aus dem Jahr 1854, belegt durch Schriftforschungen des Foshan-Museums und der Chin Woo Athletics Association of Foshan. Die in Deutschland häufig anzutreffende Angabe, Wing Chun sei etwa 300 Jahre alt, ist in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in Hongkong entstanden.
Legende von der Shaolin-Nonne und ihrer Schülerin Yim Wing Chun
Gemäß mündlicher Überlieferung waren während der Qing-Dynastie (1644-1911) die Shaolinmönche aufgrund ihrer Kampfkunst derart berühmt, dass sich der damalige Kaiser Kangxi Sorgen um seinen Einfluss machte und beschloss, die Mönche zu töten und das (südliche) Shaolinkloster zu vernichten. Dies misslang, da die Mönche starken
Widerstand leisteten. Der Beamte Chan Man Wai wollte sich einen Namen verschaffen und schmiedete einen Plan, für den er sich u. a. mit Ma Ning Yee verschwor, welcher das Kloster von innen heraus in Brand setzte. Dabei kamen die meisten Klosterbewohner ums Leben. Die buddhistische Meisterin Ng Mui (chinesisch 吳梅, Pinyin Wú Méi),
der Abt des Klosters Meister Chi Sin (chinesisch 至善禅师, Pinyin Zhì Shàn chánshī) mit den meisten Schülern, Meister Pak Mei (chinesisch 白眉道人, Pinyin Bái Méi dàorén), Meister Fung To Tak (chinesisch 冯道德, Pinyin Féng Dàodé) und Meister Miu Hin (chinesisch 苗显, Pinyin Miáoxiǎn) konnten entkommen. Sie waren die Führer der fünf Shaolin-Stile und wurden die „Fünf Älteren“ genannt.
Die Authentizität dieser Überlieferung ist umstritten. Kangxi war eher ein Unterstützer zumindest des nördlichen Shaolinklosters, wie eine über dessen Eingang angebrachte Kalligrafie noch heute belegt.Nach der Zerstörung des Klosters trennten sich die Überlebenden, um der Mandschu-Regierung leichter zu entkommen. Meister Chi Sim nahm eine Tarnidentität als Koch auf einer „Roten Dschunke“ an. So wurden Transportschiffe einer Operntruppe bezeichnet, die üblicherweise mit roter Farbe gestrichen und bunten Fahnen geschmückt waren. Die Nonne Ng Mui dagegen ließ sich im Weißer-Kranich-Tempel (chinesisch 白鹤观, Pinyin Báihè Guān) am Tai-Leung-Berg (chinesisch 大凉山, Pinyin Dàliáng Shān) nieder, wo sie sich der Kampfkunst und dem Chan widmen konnte.Am Marktplatz eines nahen Dorfes lernte Ng Mui ein junges Mädchen namens Yim Wing Chun (chinesisch 严咏春, Pinyin Yán Yǒngchūn) und deren Vater Yim Yee kennen, welche dort Tofu verkauften. Die beiden waren aus ihrer Heimat in der Provinz Guangdong geflüchtet, da Yim Yee in eine Gerichtssache verwickelt war (man sagt, unschuldig), die ihn das Leben hätte kosten können. Als Schüler des Shaolin-Klosters hatte er einige Kampftechniken erlernt und sorgte in seiner Gegend für Gerechtigkeit. Die resultierenden Schwierigkeiten zwangen ihn, seine Heimat zu verlassen und sich am Tai-Leung-Berg niederzulassen. Der Legende nach hat die Kampfkunst dem Mädchen Yim Wing Chun seinen Namen zu verdanken.
Die heranwachsende Yim Wing Chun zog den im Ort als einen notorischen Schläger bekannten Wong derart an, dass er um ihre Hand anhielt. Doch sie war schon als kleines Kind Leung Bok Chau (chinesisch 梁博俦, Pinyin Liáng Bóchóu), einem Salzkaufmann aus Fujian, versprochen worden. Wong schickte einen Boten, setzte Yim Wing Chun eine Frist und drohte, Gewalt anzuwenden, falls sie sich ihm verweigerte. Vater und Tochter lebten von nun an in großer Sorge, da niemand im Dorf Wong, dem Kampfkünstler und Mitglied einer Geheimgesellschaft, gewachsen war. Ng Mui erkannte als regelmäßige Kundin Yim Yees, dass die beiden von Sorgen gequält wurden. Schließlich erzählte Yim Yee von Wong. Ng Mui beschloss, Yim Wing Chun zu helfen, wollte den Bösewicht aber nicht selbst bestrafen, da sie ihre Tarnidentität nicht aufgeben wollte und ein Kampf zwischen ihr, der Meisterin aus dem Shaolin-Kloster, und einem Dorfschläger unfair und ruhmlos gewesen wäre. Deshalb brachte sie Yim Wing Chun ihre neue Kampfkunst bei. Nach nur drei Jahren Privatunterricht hatte diese das neue Kampfsystem gemeistert.
Ng Mui schickte sie nach der Ausbildung im Weißer-Kranich-Tempel zurück zu ihrem Vater. Sofort wurde Yim Wing Chun wieder von Wong bedrängt, doch dieses Mal forderte sie ihn zum Kampf auf. Der Rowdy war sich seines Sieges sicher, sollte sich aber getäuscht haben, denn Yim Wing Chun schlug ihn zu Boden.Nachdem Yim Wing Chun den Schläger besiegt hatte, setzte sie ihr Training fort. Als Ng Mui beschloss, weiterzureisen, ermahnte sie Yim Wing Chun, einen würdigen Nachfolger zu finden und nur die richtigen Schüler zu unterweisen. Diese Mahnung wurde auch von den folgenden Generationen befolgt.
Die Geschichte der Yim Wing Chun wurde 1994 mit Michelle Yeoh (Wing Chun) und 2010 mit Bai Jing (Kung Fu Wing Chun), die eine Schülerin von Yip Mans ältestem Sohn Ip Chun war, verfilmt.
Neuere Geschichte
Yip Man
Die meisten heute bekannten Varianten des Wing Chun gehen auf den Kampfkünstler Yip Man (1893–1972) zurück. Er hatte im Laufe seines Lebens in Hongkong zahlreiche Schüler (u. a. Bruce Lee).
Einen direkten Nachfolger ernannte Yip Man nicht, da er sich selbst nicht als Stilerbe sehen konnte. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass ein ungenau formulierter Zeitungsartikel Leung Ting
(chinesisch 梁挺, Pinyin Liáng Tǐng) zum Oberhaupt der Yip-Man-Familie ernannte. Die heftigen Reaktionen älterer Yip-Man-Schüler wurden, obwohl Leung Ting umgehend auf die Richtigstellung
dieser Falschmeldung drängte, später im Allgemeinen als Nachfolger-Streit bezeichnet.
Yip Man erlernte die bis dahin kaum bekannte Kampfkunst Wing Chun von Chan Wah Shun (chinesisch 陳華順 / 陈华顺, Pinyin Chén Huáshùn) in der Stadt Lin Fa Dei. Spätere Lehrer Yip Mans waren
Chans Schüler Ng Jung Su (chinesisch 吳仲素 / 吴仲素, Pinyin Wú Zhòngsù) und ein Sohn von Chans Lehrer mit Namen Leung Bik (chinesisch 梁壁, Pinyin Liáng Bì).
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/6/6c/Yip_Man.jpg/170px-Yip_Man.jpg
Stilrichtungen
Die bekanntesten Wing Chun-Stilrichtungen sind:
Yip-Man-Stil
Yuen-Kay-Shan-Stil
Yiu-Choi-/Yiu-Kay-Stil
Pan-Nam-Stil
Zu den weniger bekannten Stilen sind zu zählen:
Pao-Fa-Lien-Stil
Yuen-Chai-Wan-Stil (Nguyen Te-Cong)
Yip-Kin-Stil
Als Unter-Stil des Yip-Man-Stil ist, aufgrund seiner weltweiten Verbreitung, das Wing Tsun (Leung Ting Stil) zu nennen. Leung Ting, der nach eigenen Angaben auch die überprüften Ergebnisse seiner eigenen und der Kampferfahrungen, die seine Schüler und andere Wing Chun-Kämpfer bei Kung Fu Wettbewerben erzielten nutzte, um diese Methoden später zum neuen, weltweit gültigen Unterrichtssystem der I.W.T.MA.A (heutige IWTA) zusammenzufassen wählte, um diesen deutlichen inhaltlichen Unterschied gegenüber dem Yip-Man-Stil kenntlich zu machen, die Schreibweise „Wing Tsun“ (heute WingTsun).Des Weiteren gibt es noch weitere Unter- oder Hybridstile dieser Stilrichtungen. Die umfangreichsten Dokumentation liegen derzeit zum Yip-Man-Stil und dem Pan-Nam-Stil vor.
Prinzip und Technik
Prinzipien
Die hier aufgeführten Prinzipien (Kuen Kuits) stellen eine kleine, beispielhafte Auswahl dar, wie sie in unterschiedlichen Wing-Chun-Stilen vorkommen können.
1. Nimm an, was kommt.
2. Folge dem, was geht.
3. Stoße vor, wenn der Weg frei ist.
Der IRAS-Stand
Die Hauptposition im Wing Chun heißt IRAS oder Yee Jee Kim Yeung Ma. In diesem Stand werden die Formen ausgeführt oder auch Chi-Sao-Übungen trainiert. Weiterhin bildet er
das Fundament für fortgeschrittene Techniken. Hier sind einige Prinzipien (Kuits) zum Einnehmen vom IRAS-Stand:
„Aufnehmende“ Brust, gerader Rücken, gerade Hüfte.
Die Dantien mit Chi füllen und die Stärke auf alle Körperteile verteilen.
Die Knie und die Zehen zeigen einwärts.
Bilde eine Pyramide mit dem Schwerpunkt in der Mitte.
Die Fäuste werden an die Seite der Rippen gesetzt berühren aber den Körper nicht.
Die Ellenbogen, die Schultern und die Taille senken.
Den Kopf und den Nacken gerade halten und den Geist wachsam halten.
Die Augen schauen geradeaus und passen in alle Richtungen auf.
Sammle deinen Geist, erhebe dein Gemüt.
Techniken
Ein typisches Element einiger Wing-Chun-Stile ist der Kettenfauststoß. Ein geübter Wing Chun-Kämpfer kann bis zu 8 Schläge pro Sekunde ausführen. Im Wing Chun wird besonders
auf die saubere Struktur des Schlages geachtet, um auch bei geringer Körperkraft wuchtvoll angreifen zu können. Je nach angegriffenem Körperteil und Intention des Kämpfers werden
Fauststöße, Fingerstiche, Handkantenschläge oder Hammerfäuste bei Schlägen eingesetzt.
Effektives Wing Chun erreicht seine Stärke jedoch nur durch fließende und gesamtheitliche Durchführung des Kampfstils, wobei einzelne Schläge oder Schlagtechniken von untergeordneter Bedeutung sind.
Die Kraft des Gegners wird durch Schritttechniken wie Wendungen neutralisiert und gegen ihn verwendet (Gleichzeitigkeit von Angriff und Abwehr): Der Angriff ist die Verteidigung.
Ein Schlag des Gegners wird so beispielsweise durch einen konternden Gegenschlag abgewehrt.
Der Stil ist weiterhin durch seine Trittarbeit charakterisiert, die nur sehr wenige Grundtritte umfasst und mit der im Allgemeinen nur niedrige Ziele bis etwa zur Höhe der Hüfte angegriffen werden.
Ziele dieser Tritte sind insbesondere Kniegelenk, Oberschenkelansatz und Unterleib des Gegners. Bei manchen Techniken jedoch ist der Bauch des Gegners Ziel des Angriffs.
Waffen
Doppelmesser
Wing Chun war ursprünglich eine Kampfkunst ohne Waffen.
Im frühen 19. Jahrhundert erweiterten Wong Wah Bo (Schüler von Leung Bok Chow, dem Ehemann der Stilgründerin Yim Wing Chun) und Leung Yee Tai (Schüler des auf der Roten Dschunke
untergetauchten Shaolin-Mönchs Chi Sim) den Kung-Fu-Stil um zwei Waffenformen:
Langstock (Luk Dim Boon Kwun)
Doppelmesser (Baat Jam Do / Dao)
Die Übungen und Formen wurden den Prinzipien des Wing Chun angepasst.
Historische Dokumente hierzu sind nicht überliefert. Wong Wah Bo wird in vielen anderen Entstehungslegenden anderer Stile (z. B. Hung Kuen) erwähnt. Seine Existenz ist weder belegt noch widerlegt.
Er spielt in nahezu allen Wing-Chun-Legenden eine Schlüsselrolle.
Formen
Die ersten Grundlagen des Wing Chun werden zumeist in kurzen (San Sao) oder langen Formen erlernt und geübt. Formen sind festgelegte Abfolgen von Techniken, die jeder Schüler alleine durchführt.
Die Formen des Wing Chun sind (wie auch die japanischen Kata oder die Koreanischen Hyeong) wie ein „Notizbuch“ zur Vermittlung von Theorien und Techniken zu verstehen und nicht als ein
ritualisierter Kampf gegen imaginäre Gegner. Reihenfolge, Anzahl und Art der Formen ist in den verschiedenen Wing-Chun-Familien oftmals sehr unterschiedlich. In einigen Wing-Chun-Familien werden
weniger als die nachstehend aufgeführten sechs bekanntesten Formen praktiziert, in anderen werden mehr oder gänzlich andere Formen unterrichtet.
Die bekanntesten Formen sind:
Trainingsgerät Muk Yan Jong
Siu nim tau / Siu Lim Tao (chinesisch 小念头, Pinyin xiǎo niàntou, „Grundidee“,“Kleine idee form“, wört. „Kleine idee im kopf“.
In der Siu nim tao 3 Satz gibt es den sogenannten: Saam-Pai-Fut – „Dreimalige Verehrung Buddhas“ – genannt): Es werden die grundlegenden Armtechniken isoliert für sich (Dan Chi) oder in einfachen Kombinationen geübt („Chi sao“ oder „Poon sao“). Beintechniken kommen hier in Form des stabilen Standes vor sowie Schritt und Wende Techniken. Darüber hinaus verfügt das System über sehr weitgefächerte Beintechniken wie z.B. das so genannte „Chi Gerk“. Ein wichtiger Aspekt dieser Form ist die Haltung und das Verhältnis von Spannung und Entspannung. Weiterhin werden Grundprinzipien des Wing Chun geschult, wie zum Beispiel die „Zentrallinientheorie“, Krafterzeugung und richtige Atmung. So enthält diese Form acht Sätze.
Chum Kiu / Cham Kiu (chinesisch 寻桥, Pinyin xún qiáo, „eine Brücke bauen“): Basistechniken mit ersten Fußtechniken. Hier werden verschiedene Techniken in Kombinationen geübt, insbesondere das Zusammenspiel von beiden Armen, Beintechniken und Schritttechniken.
Bju Tse / Biu Tze (chinesisch 标指, Pinyin biāo zhǐ, „Stoßende Finger“): Bisweilen als Notfall-Form bezeichnet, in der Techniken erlernt werden, um aus ungünstigen Kampfpositionen in aussichtsreiche zurückzugelangen.
Mok Jan Chong / Muk Yan Jong (chinesisch 木人桩法, Pinyin mùrénzhuāng fǎ, „Holzpuppe“): Dient als Ersatz für einen Trainingspartner und zum intensitätsorientierten Training. Bewegungen werden hier einstudiert und Fehler beseitigt.
Luk Dim Bun Guan / Luk Dim Ban Kwun (chinesisch 六点半棍法, Pinyin liù diǎn bàn gùn fǎ, „Langstock“): Ist die Form um ein besseres Verständniss für den eigenen Körper sowie den Körper des Gegners
zu erlangen. Jeder Satz der Langstockform ist auf den Menschen/Gegner übertragbar. Des Weiteren trainiert es die sogenannte „Hüftkraft“.
Pa Cham Dao / Bart Cham Dao (chinesisch 八斩刀, Pinyin bā zhǎn dāo, „Doppelkurzschwerter“, „Doppelmesser“ oder „Schmetterlingsmesser“): Die Doppelmesserform ist wie die Biu Tze eine Geheimform,
sie wurde nur an die erfahrensten Schüler weitergegeben.
Chi Sao
Ein wesentlicher Bestandteil der meisten Wing-Chun-Stile ist das Chi Sao, welches auf die unterschiedlichsten Arten praktiziert werden kann.
Organisationsstruktur
Familiäre Struktur im Südchina der Vergangenheit
Im alten China wurde das Wing Chun in einem „familiären“ Charakter jeweils von Lehrer zu Schüler weitergegeben. Der Lehrer, der die persönliche Verantwortung für die gesamte Ausbildung der Schüler hatte, wurde als „Vater-Lehrer“ (Shifu) angesehen. Der Unterricht fand gegen Bezahlung oft im Wohnhaus des Lehrers statt, eine persönliche Bindung zwischen Lehrer und Schüler, mit bestimmten gegenseitigen Verpflichtungen, war die Regel. In Hongkong wurden die ersten öffentlichen Schulen gegründet. Seitdem nahm der Unterricht im Wing Chun stärker einen kommerziellen und „modernen“ Charakter an. In einigen Schulen wurde das familiäre System jedoch gewahrt. Lo Man Kam, der Neffe Yip Mans, unterrichtet noch heute seine Schüler in seinem Wohnhaus in Taibei. Langjährige Schüler werden dort heute noch durch den Shifu in der traditionellen Weise durch eine Teezeremonie (Bai Si Lai) in den inneren Kreis der Wing Chun-Familie aufgenommen. Diese Zeremonie unterstreicht die tiefe persönliche Bindung, die durch das lange Training zwischen Meister und Schüler entstanden ist.
Verbandsstruktur im heutigen Europa
Es gibt in Europa keinen einheitlichen Dachverband, unter dem die Wing Chun-Praktizierenden zusammengefasst sind, sondern zahlreiche, zum Teil miteinander konkurrierende und zerstrittene Verbände, Schulen und Einzellehrer. Die meisten Verbände treten dabei nicht in der Rechtsform der Vereine auf, die sich freiwillig zu einem Verband zusammengeschlossen haben, sondern als kommerzielle Organisationen, in denen assoziierte Schulen eingegliedert sind, welche vom Verband autorisiert und zertifiziert werden. Manche der Verbände sind in einem Franchise-System organisiert. In einigen Verbänden werden in Anlehnung an das früher übliche Familiensystem Gehorsam und Verpflichtungen gegenüber dem Lehrer (Shifu) und dessen Lehrern (Si-Gung, Si-Jo) betont, obwohl diese nur noch selten direkt an der Ausbildung ihrer Schüler beteiligt sind.
Wahrnehmung in den deutschsprachigen Ländern
Aufgrund der hohen Medienpräsenz der EWTO-Wing-Tsun (Leung Ting, Keith R. Kernspecht) verbinden Interessierte leicht das Wing Chun in Deutschland, Österreich und der Schweiz lediglich mit diesem großen Zweig des Ip-Man-Wing-Chun. In den deutschsprachigen Foren wird zudem oft versucht, aus wirtschaftlichen Gründen den Eindruck zu erwecken, dass alle Wing-Chun-Schulen in Deutschland ehemals zur EWTO gehörten bzw. von ehemaligen EWTO-Angehörigen geleitet werden. Häufig herrscht Unkenntnis darüber, dass in Deutschland bereits seit Mitte der 1970er Jahre z. B. auch das Wing Chun der Yip-Man-/Chu-Shong-Tin-Linie unterrichtet wird.
Ebenso sind weitere Schulen/Lehrer, welche niemals eine Verbindung zur EWTO hatten, in Deutschland vertreten. Die Yip-Man-Wing-Chun-Linie ist in Deutschland z. B. auch durch die Linien nach Yip Chun, Lok Yiu, Wong Shun Leung (nicht durch Philipp Bayer) und Lo Man Kam vertreten. Linien anderer Wing-Chun-Stilrichtungen wie Yuen Kay Shan werden nur selten öffentlich unterrichtet, sind aber auch in sehr geringer Anzahl in Deutschland ansässig.
Das Lee-Shing-Wing-Chun, ein eng mit der Yip-Man-Linie verwandter Wing-Chun-Stil, findet in der Schweiz große Verbreitung. Auch bei den mit dem EWTO-Wing-Tsun (Leung Ting) verwandten Schulen ist inzwischen eine Generation in Erscheinung getreten, deren Lehrer zwar bei ehemaligen EWTO-Angehörigen Unterricht erhielten, sie selbst aber niemals Mitglied der EWTO waren.
Der Konflikt um die Schreibweise
Da es für die kantonesische Sprache bislang keine einheitlichen, überall anerkannten Transkriptionsregeln zur Übertragung in die lateinische Schrift gibt, existieren zahlreiche Schreibweisen für die Kampfkunst Wing Chun, die sich aber in der Regel phonetisch sehr ähnlich sind. Dieses Problem wurde vor allem in jüngster Zeit noch dadurch verstärkt, dass Wing Chun durch zunehmende Popularität immer intensiver kommerziell verwertet wurde und einige Schreibweisen in manchen Ländern als Warenzeichen angemeldet wurden. Kritiker halten diese Anmeldungen für fragwürdig, weil es sich ihrer Meinung nach um einen nicht schützbaren Gattungsbegriff handele.
Die Schreibweise Ving Tsun wird international häufig als übergreifende Bezeichnung aller auf Großmeister Yip Man zurückgehenden Stile benutzt. In Europa hat sich allerdings Wing Chun als übergreifende Bezeichnung weitgehend durchgesetzt. In Deutschland werden heutzutage zahlreiche Namensvarianten verwendet, wie sie auch am Anfang des Artikels zu finden sind. Im direkten Umfeld Yip Mans wurden die folgenden Schreibweisen geprägt:
Ving Tsun (VT) wurde von Yip Man selbst verwendet. Hintergrund für diese Namenswahl war vermutlich das „V“ von Victory (engl. „Sieg“). Wong Shun Leung, Moy Yat und Philipp Bayer übernahmen diese Schreibweise.
Wing Chun wird von Yip Mans Söhnen Yip Ching und Yip Chun und den direkten Schülern Lo Man Kam und Lok Yiu verwendet. In Europa wird Wing Chun meist als übergreifende Bezeichnung benutzt.
Wing Tsun, WingTsun, WT stehen für den Stil von Leung Ting bzw. für den daraus entstandenen Unter-Stil von Keith R. Kernspecht
Graduierungen
Wing Chun wurde bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts ohne ein Graduierungssystem gelehrt. Über Sinn und Zweck der Graduierungen bestehen unterschiedliche Ansichten, ein einheitliches Graduierungssystem existiert nicht. Einige Schulen lehnen bis heute ein Graduierungssystem ab. Das bekannteste Graduierungssystem in Deutschland und Österreich ist das von Leung Ting zu Beginn der 1970er Jahre ersonnene System. Es umfasste ursprünglich 4 Techniker-, 4 Praktiker- und 4 Großmeistergrade. Später kamen noch 12 Schülergrade hinzu. Die Bezeichnung Technikergrad wurde in der EWTO durch Höherer Grad abgelöst.[7] Die von der EWTO vertretene Ansicht, dass die Einteilung in Schülergrade eigentlich nur außerhalb Hongkongs praktiziert wird, [8] ist falsch. Nicht nur, dass die Einteilung auf der Website von Leung Ting dargestellt ist,[9] es wurde im Forum der IWTA auch noch einmal betont.
Die International Wushu Federation hat ihr 1998 eingeführtes Graduierungssystem im Jahr 2010 völlig überarbeitet. Nun ist es auch möglich, in bisher etwas benachteiligten Stilen, wie dem Wing Chun, höhere Duan-Grade zu erreichen (aufgrund der Anzahl der geforderten Formen war es in vielen Wing Chun-Stilrichtungen nicht möglich, höhere Duan-Prüfungen abzulegen. Die Swiss Wushu Federation arbeitet bereits nach diesem Graduierungssystem und hat erste Prüfungen im Wing Chun abgenommen.Da das Wing-Chun-Graduierungssystem stilübergreifend aufgebaut ist, beruht es z. B. nicht auf den o. g. bekanntesten Formen. Vielmehr handelt es sich um verschiedene, eigens für dieses Graduierungssystem zusammengestellte, Einzel- und Partnerübungen.
Literatur
Robert Chu, Rene Ritchie u. a.: Complete Wing Chun. The Definitive Guide to Wing Chun’s History and Traditions. Tuttle Publishing, Boston 1998, ISBN 0-8048-3141-6.
Marc Debus: Das Lo Man Kam Wing Chun System – Geschichte, Berichte und Techniken. Monsenstein und Vannerdat, 2005, ISBN 3-86582-177-4. Auch auf englisch unter ISBN 978-3-86582-470-7.
Birol Özden: VC-Ving Chun: Selbstschutz, Martial Arts, Kampfsport, Combat, Selbstverteidigung für Selbstsicherheit und Dynamic, Band 1: Lehrbuch für Einsteiger. Ving Chun Verlag, Köln 2001, ISBN 3-00-007489-9.
Leung Ting: Wing Tsun Kuen. Leung’s Publications, Hong Kong 1978, ISBN 962-7284-01-7.
Alan Gibson: Wing Chun. Für Einsteiger und Fortgeschrittene. 1. Auflage. Weinmann, Berlin 2007 (übersetzt von Marcus Rosenstein), ISBN 387-8920-90-3.
Ip Ching, Ron Heimberger: Ving Tsun Yo Fen (Anleitung unserer Vorfahren). 1. Auflage. epubli GmbH, 2011 (übersetzt von Mukatder Gül), ISBN 978-3-8442-0203-8.
Oliver Gross: Der Weg der einschneidenden Faust. Sportverlag Strauß, Köln 2011, ISBN 978-3868841305.1, ISBN 978-3868841305.